Technologischer Wandel, Migration, psychische Belastungen und der Strukturwandel in vielen Regionen führen dazu, dass immer mehr Menschen in Deutschland gezielte – teils komplexe – Unterstützung beim Zugang zum Arbeitsmarkt benötigen. Gleichzeitig stehen über eine Million offene Stellen im Raum, knapp 70.000 Ausbildungsplätze blieben im Jahr 2024 unbesetzt – und Prognosen zufolge werden bis 2027 über 700.000 Fachkräfte fehlen. Auch aus Sicht der Wirtschaft ist klar: Menschen müssen schneller und nachhaltiger in Arbeit gebracht werden.
Gerade bei Menschen mit Vermittlungshemmnissen liegen große ungenutzte Potenziale. Doch ausgerechnet sie werden von vielen bestehenden Maßnahmen nicht erreicht: Menschen ohne formalen Abschluss, mit Flucht- oder Migrationserfahrung, mit psychischen Beeinträchtigungen oder langer Arbeitslosigkeit. Die Probleme am Arbeitsmarkt sind bekannt – und doch tun sich immer neue Lücken auf. Standardisierte Angebote greifen oft zu kurz, wenn Lebenslagen komplex sind. Hier braucht es neue Antworten – flexibler, individueller und wirkungsorientierter als bisher.
Wer schon heute wirkt – Beispiele aus der Praxis
Soziale Innovationen haben das Potenzial, große Effekte auf dem Arbeitsmarkt zu entfalten. Zahlreiche Organisationen und Initiativen zeigen bereits, wie Arbeitsmarktförderung anders funktionieren kann: näher an den Menschen, flexibler im Vorgehen und klarer auf Wirkung ausgerichtet. Viele dieser Angebote sind lokal verankert, aber auf andere Regionen übertragbar – und genau dort wirksam, wo klassische Maßnahmen oft nicht greifen.
Fast drei Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren in Deutschland haben keinen Berufsabschluss – rund eine Million davon ist nicht erwerbstätig. Jahr für Jahr landen zudem etwa 260.000 junge Menschen im Übergangssystem – oft für mehrere Jahre und ohne klare Perspektive.
MUT Academy
Joblinge
ReDi School of Digital Integration
Für viele Geflüchtete fehlen ebenfalls passende Angebote für den Einstieg in den Arbeitsmarkt. Standardmaßnahmen greifen oft zu kurz, weil sie individuelle Bedarfe nicht abbilden können. Die ReDI School of Digital Integration bietet kostenlose IT- und Digitalkurse für Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung – ergänzt um Sprachförderung, Mentoring und Zugang zu Unternehmensnetzwerken. Dieses ganzheitliche Angebot erleichtert Geflüchteten den Einstieg in die Digitalbranche und den Arbeitsmarkt.
Kiron Open Higher Education
Kiron Open Higher Education setzt auf digitale Hochschulbildung für Geflüchtete und andere benachteiligte Gruppen. Mit niedrig- schwelligen, kostenlosen Onlinekursen und individueller Betreuung ermöglicht Kiron selbstbestimmtes Lernen – unabhängig vom Aufenthaltsstatus oder formalen Voraussetzungen. So können sich die Teilnehmenden weiterqualifizieren, auch wenn der reguläre Bildungsweg versperrt ist.
Diese Beispiele zeigen: Es gibt funktionierende Alternativen. Was sie verbindet, ist ihr Fokus auf tatsächliche Wirkung – und die Fähigkeit, Menschen zu erreichen, die vom klassischen System oft übersehen werden.

An der Schnittstelle zum Sozialstaat – und doch oft unterfinanziert
Viele dieser Sozialen Innovationen wirken genau dort, wo der Sozialstaat an seine Grenzen stößt. Sie schließen Lücken, die klassische Maßnahmen nicht adressieren. Zwar arbeiten sie meist auch mit öffentlichen Mitteln, jedoch oft nur anteilig – denn wirkungsorientierte Angebote lassen sich mit der aktuellen Förderlogik meist nicht vollständig finanzieren.
Um ihre Modelle umzusetzen, müssen die Organisationen daher ergänzend auf Stiftungen, Spenden oder unternehmerische Erträge zurückgreifen. Das macht sie flexibel – aber auch anfällig. Echte Skalierung gelingt nur, wenn öffentliche Förderung anschlussfähig wird. Solange das nicht der Fall ist, bleiben viele wirksame Ansätze lokal begrenzt – obwohl der Bedarf längst deutlich größer ist.
Gleichzeitig sinken die Ressourcen – nicht nur in den öffentlichen Haushalten, sondern auch in den Verwaltungen selbst. Soziale Innovationen brauchen Spielraum, um wirken zu können. Doch genau dieser fehlt oft, weil die öffentliche Förderlogik nicht auf Wirkung, sondern auf Durchführung ausgerichtet ist. Was zählt, sind Teilnehmerzahlen, Stunden und Ausgaben. Was sich bei den Menschen tatsächlich verändert, bleibt zweitrangig. In der Folge fehlen die Anreize für langfristige Ergebnisse – und den Trägern die Möglichkeit, ihre Arbeit an den tatsächlichen Bedarfen der Menschen auszurichten.
Besonders kleinere Organisationen, neue Initiativen oder Pilotprojekte haben es schwer. Berichte müssen oft standardisierte Vorgaben erfüllen – selbst wenn diese am eigentlichen Ziel vorbeigehen. Flexibilität, Vertrauen und gemeinsames Lernen kommen dabei schnell zu kurz.
Dabei arbeiten Sozialunternehmen wie ReDI oder Joblinge von Grund auf anders: Sie entwickeln ihre Angebote nicht entlang dessen, was formal förderfähig ist, sondern entlang dessen, was wirklich wirkt. Die Frage, was den größten Unterschied für die Zielgruppe macht, steht im Mittelpunkt. Erst danach folgt die Suche nach einer passenden Finanzierung. Diese wirkungsorientierte Logik passt jedoch oft nicht in ein System, das vor allem Regelkonformität belohnt.
Wer also Wirkung will, muss nicht nur über neue Instrumente nachdenken – sondern auch über eine andere Haltung im Fördersystem. Es braucht mehr Offenheit für neue Wege, mehr Vertrauen in die Umsetzung vor Ort und mehr Orientierung an dem, was zählt. Viele herkömmliche Förderlogiken kommen mit diesen Veränderungen nur schwer zurecht. Sie setzen auf standardisierte Maßnahmen, regeln Teilnahmen und Ausgaben, lassen aber wenig Raum für flexible Reaktionen. Wer Unterstützung sucht, landet oft in einem System, das eher Verfahren absichert als Lösungen schafft. Die Folge: Maßnahmen werden zwar durchgeführt, aber erreichen selten die gewünschte Wirkung.
Was Mut macht – wenn Förderung Wirkung ermöglicht
Trotz aller Hürden gibt es ermutigende Beispiele, wie wirkungsorientierte Förderung bereits heute möglich ist. Sie zeigen: Es braucht keine Systemrevolution, sondern den Mut, vorhandene Spielräume zu nutzen – rechtlich, haushalterisch und kulturell.
Zusammenarbeit von ReDi School und der Stadt München
In München wird die ReDI School über das städtische Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm (MBQ) nicht für einzelne Kurse oder Maßnahmen gefördert, sondern über Strukturmittel gestärkt. Die Stadt unterstützt gezielt die Organisation selbst – insbesondere zentrale Personalstellen. Vereinbart werden grobe Output-Ziele statt kleinteiliger Vorgaben zum Inhalt. ReDI kann so selbst entscheiden, wie die Lehr- und Betreuungsangebote gestaltet werden und diese flexibel weiterentwickeln. Das schafft Raum für Wirkung, statt bloß Leistungen abzurechnen.
Der Stuttgarter Klima-Innovationsfonds
Ein anderes Beispiel liefert Stuttgart mit dem Klima-Innovationsfonds – auch wenn hier ein anderes Politikfeld im Fokus steht. Die Stadt hat ein System der ergebnisbasierten Förderung entwickelt: Teile der Fördergelder werden an gemeinsam vereinbarte Ziele geknüpft. Sind diese erreicht, wird die Förderung vollständig ausgezahlt – ohne aufwändige Berichte oder kleinteilige Verwendungsnachweise. Der Aufwand für die Antragstellenden sinkt deutlich, und die Verwaltung konzentriert sich auf das Wesentliche: darauf, ob die gesetzten Ziele erreicht wurden.
Öffentliche Mittel wirkungsbasiert vergeben
Einzelne Modellprojekte machen Mut – doch sie bleiben bisher die Ausnahme. Damit wirkungsorientierte Förderung zur Regel werden kann, braucht es neue Instrumente, klare Rahmenbedingungen und mehr Mut zur Umsetzung. Noch fehlt in vielen Verwaltungen das Wissen darüber, was rechtlich, haushalterisch und praktisch überhaupt möglich ist.
Ein konkreter nächster Schritt könnte die Einführung von Innovationsbudgets für Kommunen sein. Diese könnten gezielt Mittel bereitstellen, um neue, wirkungsorientierte Fördermodelle vor Ort zu erproben – mit klar definierten Zielen, geschütztem Rahmen und begleitendem Monitoring. So könnten kommunale Fachbereiche gemeinsam mit Trägerorganisationen neue Ansätze entwickeln und testen, ohne sich sofort auf Dauerlösungen festzulegen.
Gleichzeitig braucht es Orientierung: Welche Formen wirkungsorientierter Förderung sind im geltenden Recht bereits möglich? Welche Instrumente passen zu welchem Vorhaben? Und was bedeutet das für Planung, Haushalt, Rechtsrahmen und Steuerung? Genau an diesen Fragen arbeitet derzeit eine Arbeitsgruppe auf der Plattform für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen (SIGU-Plattform). In einem breiten Praxisprozess entsteht dort ein Handbuch für Outcome-orientierte Steuerung, das zeigt, wie Arbeitsmarktintegration wirkungsorientiert gestaltet werden kann – mit Prinzipien, Beispielen, Instrumenten und Reflexionshilfen für die Verwaltungspraxis. Damit wird deutlich: Wirkung entsteht nicht nur durch gute Ideen, sondern vor allem durch Strukturen, die diese Ideen tragen können.
Solange nachweisbare Wirkungen ausbleiben, wird auch die Legitimation des Sozialstaats infrage gestellt. Um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in staatliches Handeln zu stärken, müssen öffentliche Mittel künftig konsequenter an nachweisbarer Wirkung (Outcomes) ausgerichtet werden. Zugleich ermöglicht eine solche Wirkungsorientierung systematisch die Entfaltung Sozialer Innovationen: Sozialunternehmen und Initiativen gewinnen den nötigen Freiraum, um neue Ansätze auszuprobieren und erfolgreiche Lösungen zu skalieren. So können wirkungsorientierte Ansätze genau die Lücken schließen, die klassische Programme offenlassen – und verhindern, dass gute Ideen an bürokratischen Hürden scheitern. Letztlich kommt es darauf an, Strukturen zu schaffen, die Wirkung ermöglichen und belohnen.




