Mit dem Forum für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen (SIGU-Forum) boten das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) am 8. April 2025 ein Highlight-Event zu den bisherigen Ergebnissen der SIGU-Strategie. Es fanden sich rund 800 Personen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung zusammen. Das Event war durch eine Vielzahl an erkenntnisreichen Präsentationen, regen Diskussionen, neuen und alten Begegnungen sowie fruchtbaren Arbeitssessions geprägt.
In 8 Werkstätten der Veränderung wurden die Fragen adressiert, welche Entwicklungen und Herausforderungen dem SIGU-Ökosystem bevorstehen und welche Schritte angegangen werden müssen. Ziel war die Erarbeitung von konkreten Handlungsempfehlungen. Dazu wurden Schwerpunkte auf Wirtschaft, Staat und Verwaltung, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wohlfahrt, ländliche Räume, rechtliche Rahmenbedingungen und Finanzierung gelegt. Alle Werkstätten wurden dabei von unabhängigen Themenpat:innen betreut:
Werkstätten der Veränderung auf dem SIGU-Forum
- Wirtschaft (Themenpatin: Katrin Elsemann, European Climate Foundation)
- Staat & Verwaltung (Themenpatin: Laura Kromminga, Beraterin für Social Entrepreneurship und Wirkungsorientierung)
- Wirkung (Themenpate: Michael Wunsch, Universität Bayreuth)
- Wissenschaft (Themenpate: PD Dr. Christoph Kaletka, TU Dortmund)
- Zivilgesellschaft & Wohlfahrt (Themenpate: Norbert Kunz, Social Impact)
- Ländliche Räume (Themenpatin: Mareike Meyn, Andreas Hermes Akademie)
- Rechtliche Rahmenbedingungen (Themenpate: Matti Pannenbäcker, Purpose Consulting)
- Finanzierung (Themenpate: Dr. rer. pol. Markus Freiburg, FASE)
Die breit gefächerten Ergebnisse der 8 Werkstätten werden demnächst in Form einer Begleitpublikation veröffentlicht werden, die auch darüber hinaus einen Einblick in die Vielfalt des SIGU-Forums bieten wird. Der Plattform-Newsletter informiert über die Veröffentlichung der Publikation.
In diesem Spotlight Wissenschaft steht nun die Werkstatt der Veränderung zur Wissenschaft im Vordergrund. Es bietet damit einen beispielhaften Einblick in eine der Werkstätten und den damit verbundenen co-kreativen Prozess.
Werkstatt der Veränderung: Wissenschaft
Die Werkstatt bot den vorläufigen Höhepunkt der Arbeit des Netzwerks Wissenschaft. Der Startschuss für den co-kreativen Prozess fiel bereits im September 2024 auf der Hochschulkonferenz der SIGU-Plattform. Dort wurden mit über 70 Teilnehmenden aus der Wissenschaft erste Thesen dazu erarbeitet, welche Handlungsbedarfe es im Wissenschaftssystem gibt, um Soziale Innovationen besser zu fördern. Seitdem wurden die Ergebnisse sukzessive durch Mitglieder des Netzwerks weiterentwickelt und sieben Impulse mit zugehörenden Handlungsempfehlungen erarbeitet. Ein wesentlicher Meilenstein dafür war ein virtuelles Netzwerktreffen am 14.02.2025.
In der Werkstatt Wissenschaft auf dem SIGU-Forum kamen etwa 50 Interessierte zusammen, um sich mit der Frage zu befassen, wie Wissenschaft generell und insbesondere Hochschulen noch mehr zum Entstehen und Gelingen von Sozialen Innovationen beitragen können und welche Infrastrukturen und Förderungen dafür benötigt werden. Zu diesem Zweck lud das Netzwerk Wissenschaft dazu ein, die Rolle von wissenschaftlichen Einrichtungen im „SI-Ökosystem“ und Gestaltungsvorschläge zu diskutieren. Hierzu wurden kurz die sieben Impulse zur Verankerung von Forschung, Lehre und Transfer im Feld Soziale Innovation vorgestellt, die zuvor die Etappen des co-kreativen Prozesses durchlaufen haben. Sie werden in den nächsten Monaten abschließend mit den letzten Ergebnissen zusammengeführt und der Öffentlichkeit in Form eines Impulspapiers zugänglich gemacht.

Nach einer Begrüßung und kurzen Einführung durch den Themenpaten Christoph Kaletka übernahmen Mitglieder des Netzwerks die Präsentation der Impulse und die Moderation der Diskussion mit den Teilnehmenden aus Wissenschaft und Praxis auf dem SIGU-Forum.
Überblick über die Impulse zur Verankerung von SI in Forschung, Lehre und Transfer:
In einem Worldcafé-Format wurden alle sieben Impulse und Handlungsempfehlungen in drei Runden diskutiert und um die Erfahrungen der Teilnehmenden ergänzt. Die wichtigsten Punkte wurden nachfolgend in ihrer breiten Vielfalt durch die sieben Impulspat:innen zusammengefasst:
Durch die Integration und operative Verankerung von Sozialer Innovation in Hochschulstrategien steigt das Potenzial von Hochschulen zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen.
Impulspatin: Marthe Zirngiebl (TU Dortmund)
Widmen sich Hochschulen dezidiert dem Thema Soziale Innovationen und integrieren es als zentralen Baustein in ihr Leitbild oder ihren Hochschulentwicklungsplan, kann dies eine Strahlkraft in alle Hochschulbereiche haben und diese befähigen und motivieren, Soziale Innovationen in bestehende und neue Aktivitäten zu integrieren. Die Diskussion zu diesem Impuls konzentrierte sich zunächst auf die tatsächliche Wirkung von Hochschulstrategien. Hier waren sich alle Diskutierenden einig: „Papier ist geduldig“. Neben der Herausforderung, Soziale Innovation als Leitthema in Hochschulstrategien zu verankern, müssen auch Anreizstrukturen und „Belohnungen“ geschaffen werden, damit auf hochschulstrategische Worte tatsächliche Bestrebungen, Soziale Innovationen in allen drei Hochschulmissionen zu fokussieren, folgen können. Die Operationalisierung der Hochschulstrategie sollte dabei bedarfsorientiert und an die Besonderheiten einzelner Fachbereiche angepasst erfolgen. Um möglichst viele Bereiche und Akteure hinter einer neuen Strategie zu versammeln, erachteten die Teilnehmer:innen einen partizipativ gestalteten Prozess der Hochschulstrategieentwicklung für unerlässlich. Wird solch ein Prozess erst einmal in Rollen gebracht, zeigt sich häufig, dass es in einzelnen Fachbereichen bereits Aktivitäten gibt, die Soziale Innovationen hervorbringen, begleiten oder beforschen. Ein Sichtbarmachen dieser Aktivitäten und ein Vernetzen der verantwortlichen Hochschulangehörigen kann einer strategischen Orientierung zugunsten von Sozialen Innovationen bereits in der Phase der Reflexion der bestehenden Hochschulstrategie den nötigen Aufwind verschaffen.
Doch trotz der Hebelwirkung, die eine stärkere Verankerung Sozialer Innovationen in der Hochschulstrategie entfalten kann, kann eine stärkere „SI-Orientierung“ von Hochschulen durch andere Faktoren wie etwaige Kürzungen im Hochschulbudget oder fehlende entfristete Stellen im Mittelbau mit klarem transdisziplinären Profil stetig herausgefordert. Damit eine langfristige Verankerung von Sozialen Innovationen in Hochschulstrategien auch Früchte tragen, ist eine entsprechende Anerkennung über die Hochschule hinaus ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor.
Soziale Innovation profitiert von einer stärkeren Integration in Grundlagenforschung und transferorientierter, transdisziplinärer Wissenschaft.
Impulspate: Daniel Krüger (TU Dortmund)
Die Diskussionen rund um die Integration von Sozialen Innovationen in Grundlagenforschung und transferorientierte sowie transdisziplinäre Forschung konzentrierte sich zunächst auf die Frage, wie Grundlagenforschende für das Querschnittsthema Sozialer Innovation gewonnen werden könnten. Hierbei wurde deutlich, dass es oft noch an Bewusstsein dafür zu fehlen scheint, dass eine Beteiligung an transdisziplinären Forschungsaktivitäten rund um Soziale Innovationen nicht bedeuten muss, die eigene Disziplin zu verlassen. Vielmehr profitiert Soziale Innovation in transdisziplinären Settings dann ganz besonders, wenn die Wissensbestände und Ansätze zur Wissensproduktion der einzelnen Disziplinen mit ihren Stärken berücksichtigt und mit den Anforderungen und Wissensbeständen der Praxis zusammengebracht werden. Im Weiteren wurde auch betont, dass Hochschulen externer Impulse bedürften. So spielen besonders Forschungsförderprogramme eine große Rolle für die transdisziplinäre Ausrichtung von Forschung. In Kombination mit solchen Förderprogrammen könnten auch die Rahmenvereinbarungen der Länder eine entscheidende Steuerungswirkung für die Ausrichtung von Hochschulen und ihrer Forschung entfalten und so auch die Profilbildungsentscheidungen von Hochschulleitungen zu fördern helfen, die die strategische Integration Sozialer Innovation bereits in Erwägung ziehen. Insgesamt wurde in den Diskussionen auch die Wichtigkeit betont, die Hochschulleitungen für die breite Integration von Sozialen Innovationen nicht nur in der Transferarbeit, sondern auch in der Grundlagenforschung zu gewinnen. Ein Schlüssel könnte in den Akkreditierungsverfahren von Studiengängen liegen, in denen Soziale Innovationen dann stärker verankert werden könnten. Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussionen lag auf der Frage, wie mehr Verständnis von Grundlagenforschenden und transfer- und transdisziplinär orientierten Wissenschaftler:innen füreinander gefördert werden könnte. Demnach könnte die Schaffung entsprechender Hubs und Cluster für transdisziplinär geprägte Innovationsräume ein Schlüssel sein, was zugleich für die notwendige Sichtbarkeit sorgen würde. Einen ähnlichen Effekt könnten auch Department-Strukturen haben, wenn sie eine größere Breite an Disziplinen vereinten.
Soziale Innovationen können durch eine fundamentale und dauerhafte Etablierung in der Innovationspolitik und der Förderpraxis entscheidend gestärkt werden.
Impulspatin: Sarah Baumann (TH Rosenheim)
In den Diskussionsrunden rund um die Etablierung von Sozialen Innovationen in Innovationspolitik und Förderpraxis wurde die Wichtigkeit einer erfolgreichen Verknüpfung technologischer und sozialer Innovationen in der Förderpolitik ebenso hervorgehoben wie die Notwendigkeit zur stärkeren Förderung von Transdisziplinarität, insbesondere bei komplexen Herausforderungen.
Durch die Teilnehmenden wurde angeregt, neue kollaborative Förderlogiken und experimentelle Räume zu schaffen sowie Dialogformate und wirkungsorientierte Forschung zu stärken.
Als Voraussetzung braucht es zudem ein gemeinsames Verständnis von Sozialen Innovationen und Bewusstsein für deren Nutzen, um eine nachhaltige Etablierung in Politik und Praxis zu ermöglichen.
Ein erweitertes Transferverständnis und eine entsprechende Weiterentwicklung von Zielkategorien, Verwertungspraktiken und Infrastrukturen kann die Verbreitung und Wirkung Sozialer Innovationen erhöhen.
Impulspate: Dr. Georg Mildenberger (Universität Heidelberg)
Bislang wird bei Transfer oft noch an Wissen über gesicherte Verfahren gedacht, das sich beispielweise in Patenten ausdrückt oder in der Gründung von Startups. Das heißt, Wissen wird an den Hochschulen produziert und in die Gesellschaft getragen. Viele gesellschaftliche Probleme sind aber komplex und bedürfen zu ihrer Bearbeitung unterschiedliches Wissen in verschiedenen Formen, das nicht allein aus den Hochschulen kommt. Problemlösungen werden vielmehr mit einer Vielzahl von Akteuren ko-produziert. Der Begriff des Transfers muss daher so erweitert werden, dass Beiträge zu solchem ko-produzierten Wissen als Transfer begriffen, sichtbar gemacht und mit Wertschätzung bedacht werden.
Das muss auf mehreren Wegen geschehen. Zunächst ist eine entsprechende Ressourcenausstattung nötig. Transdisziplinäre Projekte sind eine Herausforderung für existierende Förderstrukturen. Die Akteure müssen zunächst sich aufeinander einstellen, eine geteilte Sprache entwickeln und Vertrauen bilden. Die Problemstellung selbst muss in transdisziplinären Kontexten entwickelt werden und kann so vor Projektbeginn nicht hinreichend scharf erfolgen. Es braucht eine Art Projektentwicklungsphase, die schon mit Ressourcen ausgestattet sein muss. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Forschungsfrage tatsächlich das gesellschaftliche Problem trifft und dass die Praxispartner auch ihre Fragen enthalten sehen.

Transdisziplinäre Projekte benötigen daher einen „langen Atem“, also Zeit – mehr Zeit als die förderüblichen drei Jahre.
Aber Zeit alleine ist noch nicht alles. Meist ist eine Förderung der Praxispartner weitgehend ausgeschlossen. Von ihnen wird erwartet, ihre Leistung als Eigenanteil zu erbringen. Dahinter steht die Erwartung, die Praxispartner würden ihre Kosten über die Verwertung der Ergebnisse refinanzieren. Das ist aber im Bereich der Sozialen Innovation und der gemeinwohlorientierten Organisationen häufig gar nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Ungleiche Ressourcenausstattung in Projekten produziert Asymmetrie in den Beziehungen der Partner und gibt den Hochschulakteuren eine dominante Rolle.
Schließlich gibt es an den Hochschulen noch keine stabilen Üblichkeiten für die Anerkennung von Transferleistungen. Soll Transfer eine weitere Aufgabe für die Hochschulen und ihre Beschäftigten sein, dann muss sich dies auch in den Arbeitsbeschreibungen und Reputationsmechanismen abbilden. Es braucht Lösungen, wie ko-produziertes Wissen publiziert und karriereförderlich sichtbar gemacht werden kann. Ein Anfang wäre Integration in die Lehre und entsprechende öffentliche Anerkennung, etwa in Form eines „Transferpreises“ auf den verschiedenen Karrierestufen, wie in ersten Hochschulen schon praktiziert.
Die Lehre zu Sozialen Innovationen würde von Analysen der Interdependenzen von Vermittlungs-, Prüfungsformaten und -modulen und deren Weiterentwicklung entscheidend profitieren.
Impulspate: Arian Ajiri (SEND e.V.)
In den Diskussionsrunden wurde deutlich, dass Lehrformate zu Sozialen Innovationen integraler Bestandteil jeglicher Fachbereiche sein sollten. Sie befähigen Studierende aller Fachrichtungen, einen ganzheitlicheren Blick auf komplexe Zusammenhänge zu entwickeln und aus Wissen konkrete gesellschaftliche Wirkung zu schaffen.
Doch trotz einer verstärkten Verankerung in den vergangenen Jahren, bestehen darin weiterhin Herausforderungen vielen Hochschulen. Aus den Gesprächsrunden wurde deutlich, dass vor allem das Präsidium von Hochschulen diesen oftmals interdisziplinären, fakultätsübergreifenden Formaten einen Riegel vorschieben kann. Dementsprechend bedarf es institutioneller Unterstützung und Verbindlichkeit. Um dies zu fördern, können Hochschulen das Thema Soziale Innovationen – und damit speziell auch die Lehre – in ihren Hochschulstrategien festschreiben und vom Präsidium zur Priorität erklären. Für die konkrete Verankerung von Lehrformaten können auch temporäre Deputatsermäßigungen Lehrenden den Freiraum geben, sich intensiv mit neuen Lehrformaten und deren Integration auseinanderzusetzen. Akkreditierungsverfahren können zudem für eine erhöhte Kompatibilität gebündelt durchgeführt werden.
Inhaltlich rückte die Diskussion um Future Skills ins Zentrum: Kompetenzen wie systemisches Denken, kollaboratives Problemlösen oder Reflexion. Lehrformate zu deren Erlangung werden daher oftmals praxisorientiert gestaltet – beispielsweise durch projektbasierte Seminare, in denen Studierende gemeinsam mit Kommunen, NGOs oder Sozialunternehmen Lösungen entwerfen. Prüfungsformen wie Portfolios, Wirkungsberichte oder Forschungstagebücher bilden den Lernfortschritt ab und stärken die reflexive Kompetenz der Studierenden. Bei diesen Seminaren muss eine Anerkennung als gleichwertige akademische Leistung erfolgen.
Die Wichtigkeit einer hochschulweiten Vernetzung wurde mehrfach hervorgehoben. Dabei spielten Plattformen eine besondere Rolle. Plattformen, die Lehrende vernetzen und eine Zusammenarbeit zwischen den Fakultäten befördern. Und auch Plattformen und Kommunikationskanäle, die Studierenden interdisziplinäre Wahlmöglichkeiten aufzeigen. Zudem wurde die Wirkung der Einbindung von Vorbildern als externe Gastdozierende und Impulsgeber:innen positiv hervorgehoben. Für diese müssen entsprechende Honorare und Aufwandsentschädigungen als Anerkennung zur Verfügung gestellt werden.
Die Verankerung von SI an Hochschulen bedarf einer Flankierung durch Maßnahmen im gesamten Bildungssystem.
Impulspatin: Katrin Bauer (TU Dortmund)
Mit dem politischen Blick auf Soziale Innovationen diskutierten die Teilnehmer:innen aller drei Runden von der Politik umzusetzende Maßnahmen einheitlich in zwei großen Themensträngen, die von einer zentralen Facette mit grundlegenden Anforderungen an bildungspolitische Maßnahmen flankiert wurden. So waren sich die Diskutierenden einig, dass bei allen Stakeholder:innen der Bildung zunächst einmal ein Verständnis von „Sozialen Innovationen“ als Terminus und zugehörigen Kompetenzen von Sozialinnovator:innen geschaffen und eine Sensibilisierung für den Themenkomplex erreicht werden muss. Einhergehend damit wurde mit Blick auf SIGU-Strategie und -Forum der Begriff der „Gemeinwohlorientierung“ separat aufgerufen und motiviert, auch hierzu sowohl die Verständnisvermittlung als Maßnahme zu setzen sowie Gemeinwohlökonomie als gesellschaftliches Ziel ins Bewusstsein zu rücken. Ein zweiter Strang zeigte sich in der Diskussion von konkreteren Einzelmaßnahmen. Dabei wurden unter anderem „Soziale Innovation“ als Schulfach kontrovers diskutiert sowie Ideen wie Schülerfirmen in der Schulbildung, neue Lernformate zur Vermittlung von Kreativmethoden, Kooperationen zwischen Fakultäten in der Hochschulbildung und curricularer Zugang zu Gründungs-KnowHow über alle Bildungsstufen hinweg angeregt. Als zentral stellten sich Schlagworte wie Wertschätzung und kritische Reflexion der Begriffe „Innovation“ und „Soziale Innovation“ durch alle Bildungs-Stakeholder:innen heraus, auch um eine institutionalisierte Sichtbarkeit zu erreichen. Neben Nachhaltigkeit riefen die Teilnehmer:innen dazu auf, Langfristigkeit und Ganzheitlichkeit der Ansätze und Maßnahmen im Blick zu haben. Kritisch angemerkt wurde diesbezüglich die Tatsache, dass viele Maßnahmen und Projekte in der Bildung abebbten, wenn die finanzielle Förderung ausläuft, und dass oft in vorangehenden Stufen oder unterschiedlichen Disziplinen keine Grundlagen geschaffen würden. Ganz konkret wurden hier Grundlagen wie Arbeiten in heterogenen Teams, über Disziplingrenzen hinweg, sowie Skills in kooperativem Denken und Handeln genannt. Die Verankerung von Sozialen Innovationen in der Hochschullandschaft bedarf einer Flankierung durch Maßnahmen im gesamten Bildungssystem, und zwar ganzheitlich, langfristig und nachhaltig über alle Stufen mit verschiedenen Lernformaten orchestriert, kompetenz- und verständnisvermittelnd wie sensibilisierend.
SI-Forschung aus Deutschland könnte ihre internationale Sichtbarkeit und Relevanz deutlich steigern und zum Vorreiter auf dem Themenfeld werden.
Impulspatin: Dr. Judith Terstriep (Institut für Arbeit und Technik)
Die tiefgreifenden gesellschaftlichen Transformationsprozesse, die wir aktuell erleben, sind un-ausweichlich, um Antworten auf die drängenden gesellschaftlichen Herausforderungen zu finden. Zugleich veranschaulichen sie: Technologischer Fortschritt allein reichen nicht aus. Es bedarf Innovation, die den Menschen in den Mittelpunkt rücken und einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen. Trotz einer zunehmend differenzierten Forschungslandschaft zu Sozialen Innovationen in Deutschland bleibt deren internationale Sichtbarkeit bislang hinter dem Potenzial zurück. Um als Vorreiter in diesem Feld wahrgenommen zu werden, bedarf es einer strategischen Neuausrichtung auf Basis theoretischer Schärfung, empirischer Fundierung und transdisziplinärer Kooperation.
Zentrale Voraussetzung dafür ist eine SI-Forschung, die sich stärker an internationalen Benchmarks orientiert und zugleich ihre konzeptionelle Tiefe erhöht. Theoretisch gilt es, Anschluss an globale Diskurse zu transformativen/missions-orientierten Innovationen zu finden. Empirisch bedarf es einer systematischen Erfassung der Vielfalt Sozialer Innovationen über Sektoren, Regionen und Zielgruppen hinweg. Transdisziplinär wiederum müssen neue Allianzen zwischen Wissenschaft, Praxis, öffentlichem Sektor und Zivilgesellschaft entstehen, um Soziale Innovationen nicht nur zu analysieren, sondern aktiv mitzugestalten.
Das Thema Wirkung und Wirkungsmessung kann als ein zentraler Hebel für internationale Sicht-barkeit und Anerkennung fungieren. Denn nur wer belastbare Aussagen über Wirkungen Sozialer Innovationen treffen kann, ist in der Lage, deren gesellschaftliche Relevanz zu belegen und den Transfer zu stärken. Bisher fehlen jedoch vielfach standardisierte, praxisnahe und gleichzeitig wissenschaftlich fundierte Messkonzepte.
Hier setzt das das Social Innovation Observatory (SIO) an. Es stellt ein integratives Rahmenkonzept dar, das systematisches SI‑Scouting zur frühzeitigen Erkennung aufkommender Sozialer Innovationen, ein SI‑Panel zur kontinuierlichen Längsschnittbefragung zivilgesellschaftlicher, öffentlicher und privater Akteure zur Erfassung von Aktivitäten, Trends und Wirkungslogiken sowie SI‑Insights als zielgruppengerechten Daten‑ und Wissenspool vereint. Abgerundet wird dieses Konzept durch eine Community of Practice, die als Co‑Creation‑Plattform den Transfer zwischen Forschung und Praxis fördert und das SIO in eine lebendige Infrastruktur des Lernens einbettet.
Mit einem solchen Modell kann Deutschland nicht nur evidenzbasierte Forschung betreiben, sondern auch ein internationales Benchmark setzen: Durch Systematisierung und Skalierbarkeit entsteht ein Orientierungsrahmen für andere Länder. Durch dialogische Strukturen wie die Community of Practice wird Wirkungsmessung nicht als Kontrolle, sondern als kollektiver Lernprozess begriffen. Durch internationale Anschlussfähigkeit kann das Modell in die Breite diffundieren.