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Smarte Prozesse, bessere Texte: KI für Fördermittelanträge

22. Juli 2024

Fördermittel-Fundraising – das klingt erst einmal nach viel Bürokratie und einigen Nachtschichten, um einen Antrag fertigzustellen. Gerade im Bereich Sozialer Innovationen stehen die Akteur:innen vor der Herausforderung, ausreichend finanzielle Mittel für die Umsetzung ihrer Projekte zu akquirieren. Die Komplexität der Antragstellung, die steigende Konkurrenz und die hohen Erwartungen der Geldgebenden machen den Prozess oft langwierig und anspruchsvoll. Zusätzlich müssen Sozialinnovator:innen oft in kurzer Zeit auf neue Ausschreibungen reagieren und ihre Projektideen überzeugend darlegen, was einen hohen administrativen Aufwand bedeutet. Und trotzdem ist die Fördermittelakquise das Herzstück vieler gemeinnütziger Organisationen.

Die Rolle von Künstlicher Intelligenz im Non-Profit-Sektor

In den letzten Monaten hat Künstliche Intelligenz (KI) in Form von sprach- und textbasierten Chatbots Einzug in viele Bereiche gehalten – und das nicht ohne Grund!

Wenn der Verwaltungsaufwand nicht oder nur unzureichend in gemeinnützigen Organisationen vergütet wird, ist jede Möglichkeit, an der Administration von Projekten zu sparen, willkommen. ChatGPT und Co. können helfen, Prozesse zu optimieren und Ressourcen effizienter zu nutzen. Im Fördermittel-Fundraising kann KI z.B. dabei unterstützen, passende Förderprogramme zu identifizieren, Antragstexte zu erstellen und Struktur in die Projektentwicklung zu bringen.

Case Study: Das Bildungs- und Sozialunternehmen CJD

Im Rahmen meiner Tätigkeit als Fördermittelberaterin habe ich kürzlich eine Schulung für Mitarbeiter:innen des Christlichen Jugenddorfwerk Deutschland (CJD) durchgeführt. In der vorliegenden Case Study beleuchte ich, wie das CJD, eines der größten Bildungs- und Sozialunternehmen Deutschlands, durch eine gezielte Weiterbildung im Einsatz von KI deutliche Verbesserungen in ihrem Fördermittelmanagement erzielen konnte. Durch das Fallbeispiel kann einerseits gezeigt werden, wie der Prozess initiiert werden kann, um Künstliche Intelligenz im eigenen Team zu integrieren und andererseits können direkt konkrete Möglichkeiten für den Einsatz von KI im Fördermittel-Fundraising abgeleitet werden.

Das CJD folgt dem Leitsatz des Gründers: „Kein Mensch soll verloren gehen.“ Diese Vision prägt seit der Gründung die vielfältigen Tätigkeitsfelder des CJD. Kinder, Jugendliche und Erwachsene werden mit bedarfsgerechten und vernetzten Angeboten in allen Lebensphasen gefördert und begleitet, die von frühkindlicher Bildung über berufliche Ausbildung bis hin zur Unterstützung von Menschen mit besonderen sozialen Herausforderungen reichen.

Mit über 350 Standorten jährlich und rund 11.000 Mitarbeiter:innen steht das CJD vor der Aufgabe, eine breite Palette von Dienstleistungen anzubieten und kontinuierlich neue Soziale Innovationen zu entwickeln. Die Finanzierung dieser vielfältigen Angebote ist eine zentrale Herausforderung, insbesondere in Zeiten sinkender staatlicher Zuschüsse.

Wie viele andere Organisationen spürt auch das CJD eine zunehmende Notwendigkeit, alternative Finanzierungsquellen zu erschließen. Deshalb wurde seit 2022 ein Neustart im Bereich des Fundraisings unternommen und ein Team aufgebaut, das die Entwicklung und Einreichung von Förderanträgen koordinieren soll, insbesondere für Anträge an Soziallotterien und institutionelle Fördermittelgeber.

Die Weiterbildung: Ziele und Inhalte

Ziele:

  • Integration von KI-Tools in den Arbeitsalltag: Für Projektentwicklung, Textgenerierung, Überarbeitung und Finanzplanerstellung.
  • Effizienzsteigerung bei der Antragstellung: Die Schulung sollte den Mitarbeiter:innen dabei helfen, schnell etwas aufs Papier zu bringen, was vorzeigbar ist und an dem man zusammen mit den einzelnen Organisationen weiterarbeiten kann.
  • Qualitätsverbesserung der Förderanträge: Ein weiteres Ziel war die Steigerung der Qualität der Förderanträge. Die KI sollte dabei unterstützen, Texte zu formulieren und zu strukturieren, um die Anträge überzeugender und präziser zu gestalten.

Inhalte:

Es wurde ein E-Learning-Modell entwickelt, das über einen Zeitraum von sechs Wochen vermittelt wurde. Die Inhalte der Module wurden an der eigenen Arbeit erprobt und die Ergebnisse, Herausforderungen und Fragen in Sprechstundenterminen mit der Referentin besprochen.

  • Modul 1: Kontext und Ausgangsmaterialien Identifikation und Organisation von Kontext- und Ausgangsmaterialien für die KI-gestützte Antragstellung.
  • Modul 2: Erstellung des ersten Förderantragsentwurfs Ermitteln des eigenen Schreibstils und Erstellung eigener Custom GPTs.
  • Modul 3: Verfeinerung und Überarbeitung von Anträgen Überarbeitung der Anträge und Vermittlung von Recherchemethoden für Hintergrundinformationen sowie der Erstellung von Finanzplänen.
  • Modul 4: Einsatz von KI für Projektberichte und weitere Anwendungen Erstellung von Projektberichten und weiterführende Möglichkeiten der KI-Nutzung in der Organisation (z.B. Bild- und Videoerstellung).

Zum Einstieg: Quick Hacks

Um den sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen aller Mitarbeiter:innen gerecht zu werden, erwies es sich als hilfreich, möglichst früh konkrete Beispiele und Quick Hacks für alltägliche Aufgaben zu behandeln.

Ein effektiver Quick Hack ist, Teilnehmer:innen eine Sprachaufnahme von ihrem Handy mithilfe der ChatGPT-App direkt in einen ersten Antragstextentwurf umwandeln zu lassen. Dazu mussten sie nur das Transkript der Sprachaufnahme und die Antragsfragen in den zuvor erstellten „Antragsassistenten“ eingeben, was nur weniger Minuten dauert.

Ihr wollt das auch mal ausprobieren?

Dann könnt ihr hier den Antragsassistenten testen.

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Ein weiteres Beispiel ist die Nutzung von ChatGPT, um aus einem kurzen Text- oder Audioprompt schnell eine Präsentation zu erstellen. Tools wie Gamma.app können dabei helfen, innerhalb von Minuten eine grafisch ansprechende Präsentation zu generieren.

Datenschutz und Datensicherheit

Im Bereich Datenschutz und Datensicherheit gab es erhebliche Unsicherheiten. Aktuell gibt es noch keine für die Gesamtorganisation geltenden Richtlinien zur Nutzung von KI. Deshalb musste hier besonders vorsichtig vorgegangen werden, um als positives Beispiel für die Dachorganisation zu dienen. Dazu wurden bereits im ersten Modul die technischen und organisatorischen Maßnahmen vorgestellt, die zur datenschutzkonformen Nutzung implementiert werden sollten. Es gibt verschiedene Ansätze, um die Datensicherheit zu gewährleisten, wie die Nutzung von API-Schnittstellen (Application Programming Interface) oder die lokale Nutzung von Sprachmodellen. Beispielsweise kann die Transkription von Audio-Dateien lokal auf dem Computer erfolgen, um sensible Daten zu schützen.

KI-Kompetenzen im Team aufbauen, so geht’s!

Der Aufbau von KI-Kompetenzen im Fundraising-Team des CJD basierte auf bewährten Methoden. Die praxisnahen Schulungen stellten sicher, dass die Inhalte direkt in den Arbeitsalltag integriert werden konnten. E-Learning-Einheiten ermöglichten es den Teilnehmer:innen, in ihrem eigenen Tempo zu lernen und die Praxisinhalte flexibel umzusetzen. Regelmäßige Sprechstunden erlaubten es, Fragen zu klären und das Wissen zu vertiefen. Großer Wert wurde auf den Austausch und die Zusammenarbeit innerhalb des Teams gelegt, um voneinander zu lernen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln.

Empfehlungen aus der Praxis:

  • Weckt Motivation und Neugier: Zeigt konkrete Beispiele für direkte Arbeitserleichterungen, wie die Erstellung eines Antragsentwurfs mit einem „Custom GPT“, um die Akzeptanz neuer Technologien zu fördern. Ein Custom GPT ist dabei eine benutzerdefinierten Version von ChatGPT, die ihr mit euren eigenen Daten trainieren und so besser und besser an eure Anforderungen anpassen könnt – quasi ein persönlicher KI-Assistent.
  • Nutzt E-Learning-Einheiten: Ermöglicht es den Mitarbeiter:innen, die Inhalte in ihrem eigenen Tempo zu erarbeiten und in die Praxis umzusetzen.
  • Setzt auf Praxisaufgaben: Integriert Aufgaben an realen Projekten, um den Transfer des theoretischen Wissens in die Praxis zu erleichtern.
  • Sensibilisiert für Datenschutz und Datensicherheit: Stellt frühzeitig sicher, dass alle Mitarbeiter:innen die Risiken und erforderlichen Schutzmaßnahmen verstehen.
  • Fördert den Austausch und die Zusammenarbeit: Organisiert regelmäßige Meetings und erstellt eine gemeinsame Prompt-Datenbank, um den Austausch und die Zusammenarbeit im Team zu fördern.

Tipps und Tricks

Antragstexte und Finanzpläne zu erstellen, sind die perfekten ersten Aufgaben, die gemeinnützige Organisationen an KI auslagern sollten. Dafür spricht, dass die Antragstellung mit einem hohen Zeitaufwand verbunden ist und wir durch die Bewilligung von Fördermitteln einen ganz konkreten Nutzen für unsere praktische Arbeit haben.

Stellt möglichst viel Kontext bereit: KI benötigt viele Hintergrundinformationen, um Projektbeschreibungen zu erstellen, die eure Ideen wirklich widerspiegeln. Eine der Unzulänglichkeiten der KI ist, dass falsche Informationen herausgegeben werden, wenn die eingegebenen Informationen unzureichend sind und die KI daher zusätzliche Inhalte generiert. Füttert sie also mit Tonaufnahmen, bestehenden Antragstexten, Organisationsbeschreibungen, Beschreibungen der Projektidee und Texten von Webseiten oder Flyern. Dabei gilt: Je mehr Informationen der KI zur Verfügung stehen, desto detaillierter sind die erstellten Texte.

Nutzt Sprachaufnahmen: Ihr könnt viel Zeit sparen, wenn ihr einfach mit Audio-Input arbeitet und die Transkripte als Grundlage für den Antragstext nehmt. Holt Euch unbedingt vorher das Einverständnis der Personen ein, wenn Ihr Besprechungen oder Telefonate aufnehmt..

Legt Euch eine Promptdatenbank an: Ihr müsst nicht jede kleine Frage sammeln, die Ihr schon einmal an die KI geschrieben habt. Aber vor allem Prompts, die immer wieder vorkommen und die ihr vielleicht in mehreren Versuchen optimiert habt, sind in einem „Wissensspeicher“ gut aufgehoben. Das kann ein einfaches Word- oder OneNote-Dokument sein.

Nehmt Euch in Acht vor Vanilla-Content: Zwischen der Erstellung des Antragstextes und der Überarbeitung sollte mindestens ein Tag liegen. Achtet dabei besonders auf eine übermäßige Anzahl an Adjektiven und Superlativen sowie Aufzählungen.

Macht keine halben Sachen: Ziel eines Förderantrags ist es, den Geldgeber zu überzeugen und Vertrauen in das vorgestellte Projekt zu schaffen. Der offensichtliche Einsatz von KI kann dieses Vertrauen schnell untergraben. Das kann schon beim Schreibstil beginnen: KI-generierte Texte tendieren dazu, oberflächlich zu sein und viele Adjektive sowie Superlative zu verwenden, was in Anträgen oft als unangemessen empfunden wird. Diese Art des Schreibens wird auch als “Vanilla-Content“ bezeichnet. Aus diesem Grund sind eine gewissenhafte Schulung sowie die Definition von transparenten Leitlinien für die verantwortungsvolle Nutzung von KI in der Organisation unerlässlich.

Fazit

Die Integration von KI im Fördermittel-Fundraising bietet immense Chancen. Durch die gezielte Nutzung können Sozialinnovator:innen den Verwaltungsaufwand rund um die Fördermittelakquise verringern und ihre Wirkung maximieren. “Wir schaffen es jetzt“, so Alexander Leitow (der Zentralbereichsleiter Fundraising des CJD) „einen ersten Aufschlag innerhalb von zehn Sekunden zu erstellen, wo wir vorher meinetwegen eine Woche gebraucht hätten oder wo wir vielleicht auch gar nicht erst angefangen hätten, weil wir gedacht hätten, okay, das ist einfach zu viel Aufwand”. Dabei ist es entscheidend, die Mitarbeitenden umfassend zu schulen und ihnen konkrete Anwendungsmöglichkeiten an die Hand zu geben. Dann lassen sich auch bereits kurzfristige Erfolge erzielen.

Mittlerweile werden die ersten beiden Anträge jeweils im sechsstelligen Bereich bewilligt, bei denen uns die KI maßgeblich unterstützt hat.

Alexander Leitow, CJD

Mit den oben genannten Strategien können gemeinnützige Organisationen bereits über fünfzig Prozent des Zeitaufwandes, der in die Erstellung eines Antragstextes fließt, einsparen und so den Fokus auf ihre praktische Arbeit legen. Leitow spekuliert, „dass spätestens in zwei Jahren niemand mehr einen Job im Fördermittelmanagement bekommen wird, der sich dem Thema KI verweigert und der keine Ahnung davon hat“.

Online Workshop

Für alle die tiefer in das Thema einsteigen möchten, bieten wir am 31.07.24 den Online-Workshop „Smarte Prozesse, bessere Texte: KI für Fördermittelanträge“ mit Mira Pape.
Und für alle die bis dahin nicht warten wollen, könnt ihr hier den Antragsassistenten selbst testen.

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Mira Pape

Mira Pape ist zertifizierte Fördermittelberaterin mit Abschlüssen in Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften. Sie hat berufliche Erfahrung in verschiedenen Sport- und Umweltorganisationen gesammelt, wo sie im Projektmanagement und der Fördermittelvergabe tätig war.

Im Team der Civic Coding-Initiative berät sie gemeinwohlorientierte KI-Projekte im Auftrag von BMAS, BMFSJ und BMUV. Im letzten Jahr war sie Beta-Testerin der KI-Anwendung Grantable und unterstützte bei der zielgruppengerechten Entwicklung der Software für den Einsatz in gemeinnützigen Organisationen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Fördermittelberaterin konzentriert sie sich auf den Aufbau und die Optimierung von Strukturen und Prozessen für die Fördermittelgewinnung in gemeinnützigen Organisationen. Als Teil des Global Grant Writer Collective steht sie im engen Austausch mit Kolleg:innen zu aktuellen Informationen und Trends im Bereich der KI-Tools für die Fördermittelakquise.