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Soziale Innovation in der internationalen Forschung – eine unvollständige Konferenzrückschau

11. Oktober 2023
Sitzende Menschen auf einer Konferenz von hinten.

So vielfältig wie die genaue Definition für das Konzept Soziale Innovation ist auch die Forschung zu und mit Sozialen Innovationen. Während sich viele Forscher:innen unterschiedlicher Disziplinen mit Initiativen und Phänomenen, die als Soziale Innovation bezeichnet werden könnten, beschäftigen, tun dies längst nicht alle aus der dezidierten Perspektive der Sozialen-Innovations-Forschung. Gleichzeitig haben sich aus der internationalen Forschung Formate und Netzwerke gebildet, die genau diese einnehmen. Als Team Wissenschaft der Plattform für Soziale Innovationen waren wir 2023 auf den drei Forschungstagungen des Eu-SPRI Forums (European Forum for Studies of Policies for Research and Innovation) im Juni in Brighton, England, der International Social Innovation Research Conference (kurz ISIRC) im September in Guimarães, Portugal sowie den von der European School for Social Innovation (ESSI) und European Network of Living Labs (ENoLL) co-organisierten Open Living Lab Days, ebenfalls im September in Barcelona, Spanien. Alle drei Forschungskonferenzen haben ihre eigene Historie und besonderen Schwerpunkte und ähneln sich doch alle, indem zumindest in speziellen Tracks der interdisziplinäre Austausch zu Sozialer Innovation als eigenständiger Innovationstyp gefördert wird. Nachfolgend werden die einzelnen Konferenzen in chronologischer Reihenfolge und mit ihren diesjährigen Schwerpunkten kurz vorgestellt.

14.-16. Juni 2023: Eu-SPRI Conference

Die diesjährige Eu-SPRI Conference unter dem Leitthema „Research with Impact“ wurde organisiert von der Science Policy and Research Unit (SPRU) der University of Sussex, einer der traditionsreichsten und renommiertesten Einrichtungen der internationalen Innovationsforschung. Während das 2010 gegründete Eu-SPRI Forum sich vorrangig mit Fragen der Innovations- und Forschungspolitik beschäftigt, ist auch hier über die letzten Jahre das Themenfeld der Sozialen Innovation weiter in den Fokus gerückt und wird inzwischen von einigen der 19 Mitgliedsorganisationen auch über Innovationspolitik hinaus beforscht. So lag der Track „Harnessing Social Innovation for Sustainability“, der sich gänzlich Sozialen Innovationen widmete, unter den Top 5 der diesjährigen Tracks. Organisiert wurde er von einem internationalen Team bestehend aus Katrin Ostertag (Fraunhofer ISI), Jakob Edler (Fraunhofer ISI), Jürgen Howaldt (SFS), Rick Hölsgens (SFS), Matthias Weber (Austrian Institute of Technology), Doris Schartinger (Austrian Institute of Technology), Tineke Kleinhout-Vliek (Utrecht University) und Adrian Smith (University of Sussex). Die Konferenzbeiträge umfassten eine Bandbreite von Fallstudien und quantitativen Forschungsansätzen. Darüberhinaus wurden konzeptionelle Überlegungen u.a. zu Exnovation oder der Verbindung zu anderen Innovationstypen vorgestellt und diskutiert. Auch in anderen Tracks wurden Soziale Innovationen und deren Politikimplikationen analysiert. Neben Präsentationen, die sich exklusiv mit Sozialen Innovationen beschäftigten, boten andere Tracks mit Fokus auf etwa transformativer Innovationspolitik, Wirkungsanalyse oder alternativen Wirtschaftsmodellen wichtige Impulse für Soziale-Innovations-Forscher:innen. Die nächste Eu-SPRI Konferenz findet vom 4.-7. Juni 2024 in Twente, Niederlande, statt und steht unter dem Thema „Governing technology, research, and innovation for better worlds“.

6.-8. September 2023: ISIRC

Die 15. ISIRC fand dieses Jahr organisiert von dem ALGORITMI Research Centre und dem Research Centre on Education der Universität do Minho in Guimarães, Portugal statt. In seiner Keynote resümierte Alex Nicholls (University of Oxford) von den Anfängen der Konferenz, die sich zuerst primär mit Social Entrepreneurship beschäftigte und über die letzten anderthalb Dekaden nicht nur zahlenmäßig gewachsen ist, sondern sich auch mehr und mehr mit dem Themenfeld der Sozialen Innovation geöffnet und damit weitere Innovationsakteure in den wissenschaftlichen Diskursen beleuchtet hat. Durch diesen Fokus auf Soziale Innovationen in allen Sektoren und Analysen, die einer Bandbreite von Forschungsdisziplinen und theoretischen Betrachtungen zuzuordnen sind, gehört die ISIRC zu einer der führenden internationalen, jährlich stattfindenden, wissenschaftlichen Tagungen für Wissenschaftler:innen Sozialer Innovationen. Das spiegelte sich auch diesen September in einer Reihe von Forschungsstreams wieder, die das Thema der Sozialen Innovation aus verschiedenen Blickwinkeln und mit verschiedenen Themen- und Theorieschwerpunkten behandelten. So wurden zum Beispiel im Stream Social Innovation Ecosystems, organisiert von Judith Terstriep (Institut für Arbeit und Technik, Gelsenkirchen) und Christoph Kaletka (TU Dortmund), Ökosysteme Sozialer Innovation aus verschiedenen Ländern (u.a. Deutschland, Schweden, Japan) vorgestellt und co-kreative Methoden für deren Weiterentwicklung diskutiert. In dem von Richard Hazenberg (University of Northampton) und Mark Majewsky Anderson (Glasgow Caledonian University) zusammengestellten Stream Universities as Global Leaders of Social Innovation wurde vor allem die transdisziplinäre Zusammenarbeit von Universitäten in Prozessen der Sozialen Innovation genauer beleuchtet.  

 Ganz im Zeichen der transdisziplinären Forschungskultur zu Sozialen Innovationen, wurde die Frage nach der Förderung dieser neben den wissenschaftlichen Diskussionen in den Streams und Keynotes auch in einer Podiumsdiskussion, an der Zarah Bruhn (Beauftrage für Soziale Innovationen des BMBFs) teilnahm, ganz praktisch diskutiert. Ebenso an der Schnittstelle zwischen Praxis und Politik verortet, berichtete Filipe Almeida (Vorsitzender der portugiesischen Social Innovation Mission Unit) in der abschließenden Keynote von der portugiesischen Innovationspolitik und Förderung für Soziale Innovationen. 

Die nächste ISIRC findet vom 2.-4. September 2024 in Bern, Schweiz statt.

Die jährliche Konferenz des European Network of Living Labs (ENoLL) fand in diesem Jahr in Barcelona statt und widmete sich unter dem „Titel Living Labs for an era of transitions: How human-centric innovation is changing our lives“ in vier Tracks mit Vorträgen, Panels und Workshops der Frage, wie Living Labs ein wirksamer Mechanismus dafür sein können, Wandel in der Gesellschaft voranzutreiben. Während am 20. September und am 23. September Rahmenveranstaltungen durchgeführt wurden, fanden sich die Konferenzteilnehmenden vom 21. September bis zum 22. September zu den inhaltlichen Sitzungen zusammen. 

20.-23. September 2023: Open Living Lab Days 23

Die fünf Tracks der Open Living Lab Days 23 (OLLD23) waren den Themen „Green Transition“, „Digital Transition“, „Social Transition“, „Just Transition“ und „Living Lab Transition: Methodologies and Impact“ zugeordnet. Während es damit keinen Track gab, der Soziale Innovationen in den Mittelpunkt stellte, waren sie wiederholt Thema mehrerer Sessions in unterschiedlichen Tracks. Dabei war zu beobachten, dass die Vortragenden und Diskutierenden unterschiedliche Perspektiven auf Soziale Innovationen hatten und eine Bandbreite von Living-Lab-Ansätzen für neue Praktiken in den Blick nahmen wie auch die Frage nach der Herstellung sozialer Akzeptanz oder gesellschaftlicher Relevanz technologischer Innovationen, vor allem durch partizipative Living Lab Ansätze. Im Rahmen einer eigens auf Soziale Innovation konzentrierten Session widmeten sich mit Michael Kohlgrüber und Antonius Schröder zwei Wissenschaftler der Technischen Universität Dortmund und mit Peter Oeij ein Wissenschaftler der Niederländischen Organisation für angewandte wissenschaftliche Forschung (TNO) der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Sozialen Innovationen und Industrie 5.0 als neuem Ansatz für die Orientierung an gesellschaftlichen Bedarfen in der Industrie. In High-Level Sessions wurden Soziale Innovationen ebenfalls thematisiert. So verband Jürgen Howaldt (TU Dortmund) die Frage nach der Rolle von Living Labs in Innovationsökosystemen mit der Bedeutung solcher Ökosysteme und multisektoraler Zusammenarbeit für den Erfolg Sozialer Innovationen und hob dabei zugleich die Bedeutung von Kollaboration zwischen Living Labs und der internationalen, transdisziplinären Community Sozialer Innovation hervor.

Das ENoLL-Netzwerk wurde im Jahr 2006 gegründet und hat inzwischen mehr als 480 Mitglieder in Europa und darüber hinaus. Living Labs werden im Netzwerk verstanden als „offene Innovationsökosysteme in realen Umgebungen, in denen iterative Feedbackprozesse während des gesamten Lebenszyklus einer Innovation eingesetzt werden, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen.“ Das Konzept solcher Labs steht damit dem in Deutschland gebräulicheren Begriff des Reallabors nahe.


Team Wissenschaft der TU Dortmund

Wer steckt hinter dem Spotlight Wissenschaft?

Das Team Wissenschaft der TU Dortmund berichtet hier von zentralen Konferenz der Forschung zu Sozialen Innovationen, die es 2023 besuchte.