Dieses Praxisbeispiel zeigt, wie die Famtastisch Stiftung Acker e. V. mit freien Mitteln unterstützt, um systemische Veränderungen zu bewirken. Die Famtastisch Stiftung setzt sich für ein faires, ausgewogenes und resilientes Ernährungssystem ein, das die Gesundheit der Menschen und die Umwelt schützt. Acker e. V. bietet praxisnahe Bildungsprogramme für Schulen und Kindergärten an, bei denen Kinder und Jugendliche eigene Gärten bewirtschaften und dabei ökologische Zusammenhänge und gesunde Ernährung praktisch erleben.
Wirkungsorientierung als Förderphilosophie
Die Famtastisch Stiftung stellt Wirkungsorientierung ins Zentrum ihrer Förderarbeit. Sie unterstützt gezielt Organisationen, die gesellschaftliche Herausforderungen systemisch angehen und zu einer gesünderen, umweltfreundlicheren Ernährung und Landwirtschaft beitragen. Dabei erkennt die Stiftung die Komplexität sozialer Systeme an, in denen Wirkung nicht immer sofort sichtbar ist. Systemische Veränderung erfordert Mut, neue Wege auszuprobieren, als auch eine lernende Haltung. Durch kontinuierliche Reflexion und Anpassung wird die eigene Rolle aktiv gestaltet. Gleichzeitig werden die geförderten Organisationen ermutigt, innovativ zu handeln und flexibel zu reagieren.

©Ronja Arndt Fotografie
Der Fokus liegt nicht nur auf den direkten Ergebnissen (Outcome-Ebene), sondern auch auf langfristigen Veränderungen, wie politischen Maßnahmen oder gesellschaftlichen Rollenbildern. Während direkte Ergebnisse oft gut messbar sind, ist die Bewertung systemischer Veränderung anspruchsvoller. Meist ist es ein Zusammenspiel vieler Faktoren, die Wirkung entfalten. Kern dieses Ansatzes ist das Vertrauen in die Expertise der Partnerorganisationen, die ihre Systemkenntnis nutzen, um Veränderungen voranzutreiben. Nachhaltige Wirkung entsteht durch Experimentieren, Lernen und die Zusammenarbeit aller Akteure.
Diese Herangehensweise hat einen grundlegenden Einfluss auf die Förderbeziehungen. Partnerschaften auf Augenhöhe sind zentral, um gemeinsam an einer Vision zu arbeiten. Beide Seiten werden als Teil des gesamten Systems verstanden, was einen offenen und regelmäßigen Austausch erfordert. Die Famtastisch Stiftung legt großen Wert darauf, die Bedürfnisse und Herausforderungen der geförderten Teams zu verstehen. Eine offene Fehlerkultur und ein gesundes Arbeitsumfeld sind dabei zentral, da gute Arbeit entsteht, wenn sich die Menschen darin wohlfühle
Freie Mittel für systemische Wirkung: Der Weg mit Acker e. V.
Die Famtastisch Stiftung beginnt Förderprozesse meist mit einer Kennenlernphase von mehreren Monaten bis zu einem Jahr. In dieser Zeit wird gemeinsam reflektiert, welches Potenzial für systemische Veränderungen besteht und wie beide Seiten langfristig zusammenarbeiten können. Bereits in dieser Phase werden essenzielle Kosten für die Organisation gedeckt. Im Fall von Acker e. V. begann die Zusammenarbeit mit einer Projektförderung, die den Grundstein für eine langfristige Partnerschaft legte.
Diese führte dazu, dass Acker e. V. die erste Organisation wurde, die von der Stiftung mit freien Mitteln gefördert wurde – heute ist sie jedoch nicht mehr die einzige. Mit dieser freien Förderung unterstützt die Famtastisch Stiftung die Vision, dass bis 2030 alle Kinder in ihrer Kita- und Schullaufbahn Zugang zum eigenen Anbau von Lebensmitteln und eine nachhaltige sowie gesunde Ernährungsbildung erhalten. Die Hypothese dieser Vision ist, dass eine Generation von Kindern heranwächst, die mehr Wertschätzung für Ernährung entwickelt. Dadurch könnten künftige Generationen ihre Einstellung zu Natur, Lebensmitteln und Konsum grundlegend ändern und neue Ernährungskompetenzen leben.
Damit wurde eine Förderentscheidung für eine gemeinsame Vision getroffen, die auf die Wirkungsziele, und zwar ein nachhaltiges Ernährungssystem und eine resiliente Gesellschaft, einzahlt.

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Warum braucht es dafür freie Mittel?
Über herkömmliche Projektförderungen ließ sich die angestrebte Skalierung bisher nicht umsetzen. Projektmittel sind oft an konkrete Ausgaben gebunden, wie z. B. die Einrichtung eines neuen Standorts. Diese Herangehensweise reicht jedoch nicht aus, um eine Lösung zu schaffen, von der jedes Kind in Deutschland profitieren kann. Die gewünschte systemische Skalierung umfasst Maßnahmen wie die Verankerung des Themas in der Politik oder die Integration von Acker e. V. in das Bildungssystem. Diese umfassenden Ziele erfordern weit mehr als eine schrittweise Ausweitung einzelner Standorte. Politische Arbeit, ein zentraler Baustein dieser Strategie, wird jedoch selten durch Projektförderung unterstützt, da ihre Wirkung oft nicht sofort sichtbar ist.
Diese umfassen eine intensivere Kooperation mit politischen Entscheidungsträger:innen und Bildungsministerien, eine verstärkte Nutzung digitaler Möglichkeiten sowie die Integration des Acker-Konzepts in die Pädagog:innen-Ausbildung. Letzteres soll sicherstellen, dass alle angehenden Lehrkräfte mit den Prinzipien und Umsetzungsmethoden von Acker e.V. vertraut sind. Da ein solcher Skalierungsansatz bislang noch nicht erprobt wurde, lassen sich die konkreten Schritte und der genaue Mittelbedarf zur Zielerreichung nicht von Beginn an präzise definieren. Dies erfordert eine flexible und adaptive Herangehensweise bei der Umsetzung und Finanzplanung, um diese Ziele zu erreichen.

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Bewiesene Wirkung als Startpunkt für größere Ziele
Die Sicherstellung der Wirkung stützt sich dabei auf mehrere Faktoren. Acker e. V. hat bereits durch seine langjährige Arbeit nachgewiesen, dass Kinder durch den Ansatz mehr Wertschätzung für Natur und Lebensmittel entwickeln. Die Entscheidung, Acker e. V. mit freien Mitteln zu fördern, basiert daher auf der Annahme, dass eine Skalierung der Organisation die Wirkung in jedem Fall steigern wird, unabhängig davon ob die Vision am Ende tatsächlich erreicht wird. Zudem finden zweimal jährlich Strategietreffen einer Allianz statt. Diese Allianz besteht aus Partner:innen, die Acker e. V. alle mit freien Mitteln fördern. Diese Treffen bieten Raum für einen ko-kreativen Austausch, bei dem alle Partner:innen ihre Kompetenzen und Netzwerke einbringen. Gemeinsam wird der Status-Quo analysiert und weiterentwickelt.
Herausforderungen und Lernprozesse
Der Übergang zu dieser innovativen Förderung stellte die Famtastisch Stiftung vor die Herausforderung, Kontrolle abzugeben und mehr Vertrauen in die Partnerorganisation zu entwickeln. Dies führte zu einer intensiven Reflexion darüber, welche Kontrollmechanismen und Berichtspflichten tatsächlich notwendig sind, um die Vision der Stiftung zu verwirklichen. Eine weitere zentrale Erkenntnis war, dass Herausforderungen ein wichtiger Bestandteil einer vertrauensvollen Förderung sind. Es gibt immer wieder Phasen, in denen überprüft werden muss, ob der Förderprozess noch mit der Vision der Stiftung übereinstimmt. Eben deswegen ist es essenziell, eine offene Feedback-Kultur zu fördern, in der Kritik in beide Richtungen geäußert werden kann – ein Ansatz, der in traditionellen Förderbeziehungen oft nicht selbstverständlich ist.
Gleichzeitig wurden zahlreiche Vorteile dieser neuen Förderform sichtbar:
Intensivere Zusammenarbeit: Stiftung und Organisation haben mehr Berührungspunkte, bei denen sie voneinander lernen und sich gegenseitig konstruktiv kritisieren können.
Administrative Entlastung: Das klassische, aufwendige schriftliche Reporting wird weitgehend durch einen regelmäßigen Austausch und eine interne Dokumentation ersetzt.
Flexibilität: Acker e. V. kann auf unerwartete Gelegenheiten reagieren und strategisch handeln, ohne an enge inhaltliche Vorgaben gebunden zu sein.
Skalierungspotenzial: Die freien Mittel ermöglichen strategische Entscheidungen, die das Wachstum und die Ausweitung der Aktivitäten fördern.

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Fazit: Ein Modell für effektive Förderung Sozialer Innovationen
Die Zusammenarbeit der Famtastisch Stiftung mit Acker e. V. zeigt, dass freie Mittel ein wirkungsvolles Instrument zur Förderung Sozialer Innovationen ist. Es bietet Organisationen die Möglichkeit, flexibler und strategischer zu handeln, wodurch sie ihre Aktivitäten skalieren und nachhaltige Wirkung entfalten können.
Für Stiftungen schafft dieser Ansatz die Chance, ihre Förderpraxis neu zu denken und so einen bedeutenden Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen zu leisten. Dabei erfordert es ein Umdenken sowie die Bereitschaft, Kontrolle abzugeben. Im Gegenzug entstehen jedoch tiefere und effektivere Partnerschaften, die eine langfristige und systemische Veränderung ermöglichen.